Lehrstück ohne Lehre?

Frederic Soltow

BTX.: Frederic Soltow, ein energiegeladener, ungehobelte rund  durchtrainierter Josef „Sepp“ Schmitz im „Biedermann“ im Salzburger Schauspielhaus.   Foto: Lena Langegger, HBLW Saalfelden

Dieses Paradoxon hat Max Frisch für sein 1958 uraufgeführtes Stück „Biedermann und die Brandstifter“ selbst gewählt. Das ist kokett formuliert vom großen Schweizer Autor, denn natürlich sollen die Theaterbesucher etwas lernen aus dem Untergang des biederen Kapitalisten und Haarwasserfabrikanten Gottlieb Biedermann, um dessen Hals die Schlinge der Brandstifter sich immer enger zieht. Das laute Ticken einer Uhr gemahnt das Publikum daran, dass die Zeit unerbittlich gegen den am Biertisch polternden, in der Praxis aber unfähigen Biedermann arbeitet. Marcus Marotte ist die Idealbesetzung für den biederen Bürger, der sehenden Auges in die Katastrophe schlittert. Er spielt intensiv wie ein Spitzensportler, er schwitzt auch wie einer. Sehr präsent auch sein ungehobelter Widerpart, der durchtrainierte Ex-Ringer Schmitz, der es mit Sentimentalität und der frechen Wahrheit schafft, in den Dachboden seines Opfers einziehen zu dürfen. Frederic Soltow ist in seiner negativen Agilität und kraftstrotzenden Körperlichkeit das genaue Gegenteil des kraftlosen Bürgers. Hätte ihn der Regisseur Peter Raffalt nicht zum Mithelfer bei einer brutalen Vergewaltigung des Dienstmädchens Anna (sehr gut: Magdalena Oettl) gemacht, würde er fast als sympathisch durchgehen. Auch Babette (Susanne Wende) und Markus Pflüger als Eisenring überzeugen.

Aber das kompakte Stück (eine Stunde, zwanzig Minuten) lebt nicht nur vom großartigen Ensemble des Schauspielhauses und der klugen, effektvoll reduzierten Inzenierung Peter Raffalts. Auch die Bühne (Vincent Mesnaritsch), die Kostüme (Elke Gattinger) und vor allem auch das Licht (Marcel Busa) machen den Bühnenklassiker zu einem unvergesslichen Erlebnis. So macht man auch die jugendlichen Besucher dieser Vormittagsvorstellung zu Theaterfreunden.